Gelehrtes Wissen, Kunst und städtische Gesellschaft im Zeichen des Humanismus. Augsburger Kultur im Umfeld der Gründung des Gymnasiums bei St. Anna (1531)

Gelehrtes Wissen, Kunst und städtische Gesellschaft im Zeichen des Humanismus. Augsburger Kultur im Umfeld der Gründung des Gymnasiums bei St. Anna (1531)

Organizer(s)
Gernot Michael Müller (Universität Augsburg, Graduiertenkolleg „Wissensfelder der Neuzeit“ am Institut für Europäische Kulturgeschichte) in Kooperation mit dem Augustana-Forum, Evangelische Stadtakademie Augsburg
Location
Augsburg
Country
Germany
From - Until
11.10.2006 - 14.10.2006
Conf. Website
By
Flemming Schock, Institut für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg

Vom 11. bis 14. Oktober 2006 fand im historischen Hollbau des Augustana-Forums in Augsburg eine interdisziplinäre kulturwissenschaftliche Tagung mit dem Titel „Gelehrtes Wissen, Kunst und städtische Gesellschaft im Zeichen des Humanismus. Augsburger Kultur im Umfeld der Gründung des Gymnasiums bei St. Anna (1531)“ mit insgesamt zweiundzwanzig Vorträgen statt. Anlass der Tagung, die von der Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg, der Kurt und Felizitas Viermetz-Stiftung und dem Kulturbüro der Stadt Augsburg gefördert wurde, war das 475. Gründungsjubiläum des ersten Augsburger Gymnasiums, das seinen Ursprung im Herbst 1531 hat. Sie reihte sich damit zum einen in die Feierlichkeiten ein, die anlässlich des Schuljubiläums im Herbst 2006 stattfanden, beanspruchte zum anderen aber auch ein spezifisch eigenes Profil. Während ein von der „Societas Annensis“, der Vereinigung ehemaliger Schüler des Gymnasiums, herausgegebener und soeben erschienener Sammelband die Schulgeschichte im Speziellen abhandelt1, konzentrierte sich die Tagung auf das kulturelle Umfeld, in dem die Gründung des Gymnasiums erfolgte, wobei der Begriff „Umfeld“ in einem weiten Sinn verstanden wurde und das gesamte 16. Jahrhundert mit Ausblicken in das vorangehende 15. und das beginnende 17. Jahrhundert meinte. Ziel der Tagung war es, aus interdisziplinärer Perspektive sowie im Rückgriff auf aktuelle Fragestellungen und Interessenschwerpunkte der an ihr beteiligten Disziplinen die spezifische Signatur der humanistischen Kultur Augsburgs herauszuarbeiten und deren Stellung im europäischen Kontext aufzuzeigen. Dabei wurde Humanismus als eine ab Mitte des 15. Jahrhunderts nach Augsburg ausgreifende Bewegung erkennbar, die neben Kunst, Literatur und Gelehrsamkeit alle Bereiche städtischer Kultur und Gesellschaft erfasst und nachhaltig beeinflusst hat.

So nahe liegend eine Tagung zur Augsburger Kultur im 15. und 16. Jahrhundert auf den ersten Blick auch ist, vor dem Hintergrund der Forschungssituation zur Augsburger Stadtgeschichte erweist sie sich dennoch als Desiderat. Denn obzwar die herausragende Bedeutung dieser beiden Jahrhunderte für die Geschichte Augsburgs keiner weiteren Betonung bedarf, hat es seit geraumer Zeit an fächerübergreifenden Initiativen gefehlt, die die zentrale Rolle der freien Reichsstadt am Lech bei der Rezeption von Humanismus und Renaissance in Deutschland in ihrer ganzen Breite in den Blick nehmen. Zwar ist zuzugestehen, dass es in den einzelnen historischen und literaturwissenschaftlichen Disziplinen durchaus nicht an kontinuierlicher und intensiver Forschungstätigkeit fehlt, einzelne Aspekte Augsburger Geschichte und Kultur im ausgehenden 15. und 16. Jahrhundert aus der jeweiligen Fachperspektive heraus zu untersuchen und ihre je spezifische Bedeutung für die Entwicklung von Humanismus und Renaissance nördlich der Alpen und mithin für Europa insgesamt zu bestimmen. Die Konzentration auf fachspezifische Themen und Fragestellungen zeitigt allerdings die Konsequenz, dass sich die Erforschung Augsburger Kultur in Humanismus und Renaissance auf – freilich teilweise sehr gut erschlossene – Einzelbereiche beschränkt und dementsprechend fragmentiert ist.

Ein erneutes Zusammenführen der verschiedenen, auf unterschiedliche Disziplinen verteilten Forschungsfelder zu einer Gesamtbetrachtung Augsburger Kultur im ausgehenden 15. und 16. Jahrhundert war umso mehr von Nöten, als die Historischen Wissenschaften, Philologien und ihre Nachbardisziplinen seit geraumer Zeit wieder verstärktes Interesse an dieser Epoche europäischer Kulturgeschichte zeigen und Humanismus und Renaissance dabei dezidiert als Bewegungen begreifen, die nicht nur Kunst und Literatur, sondern alle Bereiche von Kultur und Gesellschaft erfassten. Die Erforschung Augsburgs als eines der bedeutendsten Zentren humanistischer und rinascimentaler Kultur nördlich der Alpen hat von diesem Aufschwung bisher allerdings nicht profitieren können. Dabei stellt gerade die spezifisch kulturwissenschaftliche Perspektive, welche der Humanismus- und Renaissanceforschung inzwischen eignet, die adäquate Voraussetzung dar, um die disparate wie heterogene Forschung zu Augsburg im ausgehenden 15. und 16. Jh. zu einem Gesamtbild Augsburger Kultur in den betreffenden zwei Jahrhunderten zusammenzuführen. Dies zu leisten war Anliegen der Tagung.

Die Tagung näherte sich ihrem Gegenstand in insgesamt acht Sektionen, deren erste von Gernot Michael Müller (Graduiertenkolleg „Wissensfelder der Neuzeit“, Augsburg) geleitet wurde und grundlegenden Charakter hatte. Bernd Roeck (Zürich) hielt den Einführungsvortrag („Die Augsburger Kunst der Frührenaissance: Europäische Horizonte“) und sprach über die europäischen Voraussetzungen der Augsburger Frührenaissance. Dabei wandte er das Konzept des Kulturtransfers auf die Augsburger Kunst des beginnenden 16. Jahrhunderts an und warf die Frage auf, welche Einflüsse in den Werken jener Zeit wirksam wurden und auf welche Weise es zur Adaptation avantgardistischer Formen kam. Dabei standen neben Beziehungen zu Italien auch solche zu Spanien zur Diskussion. Denn zum Abschluss seiner Ausführungen formulierte Roeck die suggestive These, dass die Fuggerkapelle bei St. Anna, gemeinhin als das erste Dokument rinascimentaler Kunst nördlich der Alpen angesehen, ihr Vorbild im Dom zu Granada habe. Im Anschluss daran spürte Caspar Hirschi (Freiburg/Schweiz) dem Verhältnis von Humanismus und Stadt nach und lotete anhand einer Diskussion verbreiteter Konzepte von Humanismus die Bedeutung städtischer Kultur für diesen aus. In einer kontrovers geführten Diskussion von Hirschis Beitrag wurde deutlich, dass weiterhin Klärungsbedarf darüber besteht, ob ‚der’ Humanismus als städtisch-urbanes und/oder als höfisches Phänomen zu erfassen sei. Im abschließenden Beitrag der Sektion wandte sich Klaus Unterburger (Münster) dem „Einfluss des Humanismus auf die Ausbildung konfessioneller Wissenskulturen“ zu. Luther habe in Augsburg nicht zufällig in humanistischen Kreisen seine ersten Anhänger gefunden, seien Reformation und Humanismus doch zunächst vielfach verschränkte Reformbewegungen gewesen, so Unterburger. Detailliert wies Unterburger nach, wie sich die Kontroverstheologie dann im Zuge der Konfessionalisierung den Humanismus dienstbar machte. Erst durch dessen historisch-kritisches Methodeninstrumentarium sei die christliche Theologie zu Höchstleistung fähig gewesen. An ein weiteres Publikum richtete sich der Abendvortrag des Augsburger Landeshistorikers Rolf Kießling („…ein lobliche Schuel aufzerichten und ze erhalten…“). Die ostschwäbische Schullandschaft und die Gründung des Gymnasiums bei St. Anna). Kießling entwarf ein breites Panorama der Bildungslandschaft des 16. Jahrhunderts und rekonstruierte vor dieser Folie die Gründung des Anna-Gymnasiums im Herbst 1531. Kießling zufolge stand die reichsstädtische Schulgründung, dem alle bestehenden Schulen untergeordnet wurden, vor allem für die frühe Durchsetzung reformatorischer Ideale, die die bischöfliche Schulaufsicht auffällig unterminierte.

Die erste Sektion des zweiten Tages („Humanistisches Wissen und städtische Gesellschaft“) griff die am Vortag innig geführte Debatte um das Verhältnis von Humanismus und urbanen Eliten in Einzeldarstellungen vertiefend auf. Wolfgang E.J. Weber (Augsburg) fragte nach der Verbindung von „Humanistischem Wissen und städtischer Politik“ und zeigte facettenreich auf, wie sehr Techniken und Formen städtischer Aristokratisierung das Ergebnis humanistischer Neuorientierung waren. Nicht nur politische Entscheidungsfindungsprozesse seien durch ‚machiavellistische’ Handreichung beeinflusst worden, sondern auch andere Normbereiche wie das städtische Zeremoniell. Als noch offene Frage formulierte Weber, wie sehr das neue Methoden-, Sach- und Orientierungswissen des Humanismus die städtische Oligarchie geprägt habe. Mark Häberlein (Bamberg) wertete die Figur des Augsburger Arztes und Orientreisenden Leonhard Rauwolf (1535/40-1596) in Hinblick auf ihren exemplarischen Charakter für den Zusammenhang von botanischem Wissen, ökonomischem und sozialem Aufstieg in der reichsstädtischen Gesellschaft aus. Rauwolf unternahm seine Reisen zur botanischen Inventarisierung im Dienst einer Augsburger Handelsgesellschaft. Da sich auch weitere ökonomische und humanistische Eliten mit dem potenziellen Ertrag exotischer Pflanzen befassten, konnte Häberlein am Beispiel Rauwolfs die Verzahnung von wissenschaftlichen, sozialen und ökonomischen Praktiken nachzeichnen.

Die zweite Sektion des Vormittags wandte sich dem Feld „Humanistische Gelehrsamkeit und Klosterkultur“ zu. Harald Müller (Berlin) vermaß den „Beitrag der Mönche zum Humanismus im spätmittelalterlichen Augsburg“ und fragte nach den Partizipationschancen zweier Benediktiner am literarischen Leben der Reichsstadt. Am Beispiel von Sigismund Meisterlin und Veit Bild und ihrer Teilhabe an humanistischen Zirkeln präzisierte Müller die Frage nach den Bedingungen, denen ein sich innerhalb der Klostermauern formierendes humanistisches Interesse unterlag. Wolfgang Augustyn (München) untersuchte darauf das „Historische Interesse und die Chronistik in St. Ulrich und Afra im Zeitalter des Klosterhumanismus“ im Fall von Wilhelm Wittwers ‚Catalogus abbatum’. Dabei zeigte er auf, wie sehr auch jene Mönche von humanistischer Methode im weiteren Sinne beeinflusst waren, deren Arbeiten noch nicht als humanistisch bezeichnet werden können.

In der Nachmittagssektion rückte „Augsburg als Zentrum humanistischer Netzwerke“ in den Mittelpunkt. Das Referat von Thomas Ososinski (Warschau) spürte anhand der Beziehungen der Welser zum polnischen Humanisten Johann Dantiscus (1485-1548) einem bislang kaum beachteten Punkt der Netzwerkbildung in der Reichsstadt nach („Kontakte des polnischen Humanisten Johann Dantiscus mit der Firma Welser [1527-1537]“). Ososinkis Referat skizzierte die verschiedenen Phasen der Kontakte des Dantiscus mit den Augsburger Handelshäuern und ging der Frage nach, inwiefern der polnische Humanist diese Kontakte für seine Intentionen zu instrumentalisieren gewillt war. Florian Schaffenrath (Innsbruck) schloss mit einem Einblick in den kulturellen Transfer zwischen Augsburg und Tirol („Vom Elend, ein Student zu sein. Die Familie Geizkofler zwischen Augsburg und Innsbruck“) an. Am Beispiel der zahlreichen Schriften des weit gereisten Lucas Geizkofler, schließlich im Dienste Ferdinands II. in Innsbruck, erläuterte Schaffenrath dieses Verhältnis exemplarisch. Den spezifischen Bezug zum Ort der Tagung stellte darauf Helmut Zäh (Augsburg/Heidelberg) durch den Briefwechsel des Augsburger Humanisten Hieronymus Wolf (1516-1580) erneut her („Der Briefwechsel des Hieronymus Wolf, Rektor bei St. Anna. Umrisse eines Forschungsprojekts“). Das DFG-geförderte Projekt begreift Wolfs Briefnetzwerk als beispielhaft für die Traditionen und Wendepunkte in der Entwicklung des deutschen Frühhumanismus. Auf ein weiteres Editionsvorhaben kam Alois Schmid (München) im letzten Beitrag des Tages zu sprechen („Die Korrespondenz zwischen Marcus Welser und P. Matthäus Rader“). Schmid entwarf am Beispiel eines Ausschnitts aus dem gelehrten Briefwechsel von Rader und Welser (1597-1614) editorische Probleme und die erhoffte Aussagekraft des Dialogs im Hinblick auf den reichsstädtischen Kulturbetrieb um 1600.

Die erste Sektion des dritten Tages richtete den Fokus auf poetische Produktionen und ihren Konnex zur urbanen Sphäre: „Humanistische Literatur und Augsburg“. Zunächst untersuchte Wilhelm Kühlmann (Heidelberg) die Rolle gelehrter Literaten, Redner und Dichter auf den Augsburger Reichstagen des 16. Jahrhunderts („Der Kaiser und die Literaten. Augsburger Reichstage als literarisches Forum“). Kühlmann arbeitete ein reziprokes Verhältnis heraus: Einerseits konnte sich die prestigebedachte Obrigkeit mit den Poeten eine wortgewaltige Klientel sichern; andererseits sei den Humanisten, so Kühlmann, in Gestalt reichstagsspezifischer Kasuallyrik die Möglichkeit gegeben gewesen, indirekt mehr Geltung auf dem Forum der Reichstage zu entfalten als bislang angenommen. Stefan Römmelt (Würzburg) erörterte anschließend die Geschichte der Zensur in Augsburg um 1600 am Beispiel zweier Texte des Matthäus Rader. Der Jesuit veröffentlichte 1599 eine Martialausgabe und einen Martialkommentar, anhand derer Römmelt im weiteren den Mechanismen und Funktionen späthumanistischer (Selbst-)Zensur nachging. Besonders lebendig erwies sich die Diskussion des Referats: Ist die Veröffentlichung Martials ohne dessen ‚obszöne’ Abschnitte als ‚Zensur’ oder, anders gewendet, als ‚Rettung’ des Autors für das Sittlichkeits- und Moralempfinden der Zeit zu werten?

Die zweite Vormittagssektion widmete sich der „Geschichtsschreibung und Altertumswissenschaft im humanistischen Augsburg“. Gernot Michael Müller (Augsburg) unternahm eine Verortung der Rolle Augsburgs für die Entstehung humanistischer Historiografie im 15. Jahrhundert am Beispiel der Augsburger Chronik des Mönchs Sigismund Meisterlin („Die Augsburger Chronik des Sigismund Meisterlin im Kontext frühhumanistischer Geschichtsschreibung“). Diese sei, trotzdem sich die Geschichte der Geschichtsschreibung jüngst auch der Leistung des Humanismus auf diesem Sektor zugewandt habe, bislang kaum berücksichtigt. Müller diskutierte eingangs grundlegende Aspekte und Entstehungszusammenhänge der Historiografie des Humanismus, um auf dieser Grundlage eine thesenhafte Taxierung der Chronik Meisterlins im Hinblick auf Tradition und Innovation vorzunehmen. Dem Gebiet des Antiquarianismus näherte sich der folgende Vortrag von Marcus Ott (München). So habe der Augsburger Humanist Konrad Peutinger auch Bedeutendes auf diesem Gebiet geleistet. Peutinger schuf in Form einer Epigraphik eine Topographie Augsburgs, die sich mit einer Wirkungsgeschichte weit über die Stadtgrenzen hinaus als äußerst einflussreich erwies und selbst in Verona rezipiert wurde. Im dritten Sektionsbeitrag („Von Augsburg nach Paris. Die reichsstädtische Byzantinistik in der Rezeption der französischen Bearbeiter der Louvreausgabe 1645 bis 1711“) ging Markus Völckel (Rostock) der Frage nach, wie in Augsburg erarbeitete Editionen von byzantinischen Historikern von französischen Gelehrten wahrgenommen wurden und wie dieses Wissen unter der Regierung von Ludwig XIV. zum Einsatz kommen sollte. Die Konjunkturen byzantinischer Forschung brachte Völckel mit der Ausprägung spezifischer Geschichtsbilder in Zusammenhang, die in der schwäbischen Reichstadt von denen im Umfeld absolutistischer Monarchen erheblich divergieren konnten.

Den Bedingungen literarischer Produktion im konfessionellen Augsburg widmete sich die letzte Sektion des Tages: „Humanistisches Schuldrama in der bikonfessionellen Stadt“. Silvia Serena Tschopp (Augsburg) zeigte am Beispiel ausgewählter Dramen von Sixt Birck, seit 1536 Rektor am Gymnasium St. Anna, dass sich die Funktion protestantischer Theaterstücke nicht in ihrer didaktischen Dimension erschöpfte. Vielmehr habe sich in formaler und inhaltlicher Gestaltung der Dramen regionale, konfessionelle und auch politische Kontexte niedergeschlagen, die zum angemessenen Verstehen jener ‚Schuldramen’ unerlässlich seien und gleichzeitig deren weiten Horizont aufzeigen. Der Folgebeitrag („Das katholische Theater im 16. Jahrhundert und seine Bezüge zum Humanismus“) von Bernhard Jahn (Magdeburg) diskutierte ergänzend eine verwandte Thematik für die katholische Seite. Zunächst spürte Jahn den mittelalterlichen Wurzeln des Theaters nach und strich jene Elemente heraus, die nicht humanismuskonform gewesen seien. Auf dieser Grundlage skizzierte Jahn die Entwicklung des Augsburger Jesuitentheaters, dessen Diskrepanzen zum protestantischen Schuldrama sowie die Frage, wo in diesem Feld humanistische Züge zu verorten sind.

Die Kunstproduktion der Renaissance stand im Mittelpunkt der letzten Sektion am Folgetag („Augsburg und die Kunst der Renaissance“). Einleitend äußerte sich Christoph Bellot (Köln/Passau) zur Rezeption neuer künstlerischer Formen aus Italien im Augsburg des frühen 16. Jahrhunderts („Schöne neue Formen. Ornament und Architektur in Augsburg nach 1500“). An zahlreichen Beispielen stellte Bellot die hervorgehobene Stellung Augsburgs im Hinblick auf eine tiefgehende, schnelle und puristische Aneignung der neuen Ästhetik heraus und ging der Frage nach der ikonographischen Relevanz des neuen Stils exemplarisch nach. Brigitte Sölch (Augsburg) vermaß anschließend ein noch unbeschrittenes Terrain („Klöster und ihre Nachbarn – Konkurrenz im Blick? Neubauprojekte des 16. Jahrhunderts in Augsburg“): Trotz des Baubooms im frühen 16. Jahrhundert sei die Bauwirtschaft und gleichermaßen die Augsburger Sakralarchitektur noch kaum erforscht. Dass vor allem Bettelorden als Stifter von Kirchenbauten tätig wurden, nahm Sölch zum Anlass, den Punkten nach Auftraggeberschaft, Stiftungs-Praxis und etwaig denkbarem Konkurrenzverhalten in weiteren Zusammenhängen nachzugehen. Die Referentenliste beschloss Dietrich Erben (Bochum) mit einem Beitrag, in dem er am Falle Augsburgs und Münchens die Konkurrenz zwischen reichsstädtischer und höfischer Kunstpatronage herausarbeitete („Die Kunstpatronage in Augsburg und die Höfe“). In einem Ausblick auf die Gegenwart kontrastierte Erben schließlich die gelungene Gestaltung des öffentlichen Raumes im Augsburg des 16. und 17. Jahrhunderts mit weniger geglückten Beispielen aus der Gegenwart.

Die stets anregenden und konstruktiv geführten Diskussionen machten durchweg deutlich, wie sehr die Erforschung Augsburger Kultur im behandelten Zeitraum sowie von deren Bedeutung im europäischen Kontext durch die angelegte interdisziplinäre Perspektive profitieren kann. Es ist zu hoffen, dass der geplante Tagungsband nach seinem Erscheinen die Humanismus- und Renaissance-Forschung in diesem Sinne befördern wird.

Anmerkung:
1 Das Gymnasium bei St. Anna in Augsburg. 475 Jahre von 1531 bis 2006. Hrsg. im Auftrag der Societas Annensis zum 475. Jubiläum des Gymnasiums und zum 80. Jubiläum der Societas Annensis von Karl-August Keil, Augsburg 2006.


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